Tauwerk ist nicht gleich Tauwerk, es gibt verschiedenste Materialien und Konstruktionen. Aber braucht man diese alle? Und woher weiß ich, was das Richtige für mich und meinen Einsatzzweck ist? Wir möchten nachfolgend etwas Licht ins Dunkle bringen und über die verschiedenen Taue, Materialien und Konstruktionen aufklären. Jede Kombination hat Ihre Vor- und Nachteile und ist daher für den jeweiligen Einsatz besser oder schlechter geeignet. So ist beispielsweise für die Verstagung höchste Bruchlast und minimaler Reck erforderlich, für einen Festmacher hingegen Lehnigkeit und ein gutes Dehnungsverhalten wünschenswert. Und bei manchen Einsätzen kommt es doch eher auf die Optik an.
Grundsätzlich unterscheidet man das Grundmaterial aus welchem die Fasern gefertigt werden in etwa 5 Kunststoffen welche 90% der Tauwerke ausmachen, das sind die folgenden:
- Polypropylen
- Polyamid
- Polyester
- Polyaramide (Vectran® und Kevlar®)
- Polyethylen (Dyneema®)
Polypropylen
Polypropylen (PP) ist ein sehr günstiger Rohstoff. Dieser wird zu Herstellung von Tauwerk wiederum in drei Qualitäten verarbeitet. PP Monofil, PP Multifil und PP Split. Das eindeutigste Merkmal ist auch zugleich der größte Vorteil, das ist die Schwimmfähigkeit. Aus diesem Grund wird PP überwiegend dort eingesetzt, wo es Sinn macht eine schwimmfähige Leine zu verwenden, z.B. als Schleppleine, Man über Bord Rettungsleine aber auch einfache Einsatzzwecke wie z.B. die Fenderleine. Schwachpunkte von Polypropylen Leinen ist eine relativ geringe Abriebbeständigkeit sowie Bruchlast.
Die häufigste Konstruktion in der Polypropylen angeboten wird ist gedreht (auch geschlagen).
Polyamid
Polyamid (PA) hat eine sehr hohe Anfangs-Dehnung. Unter UV-Einfluss härtet es jedoch schnell aus. Das schrenkt den Einsatz von PA sehr ein. Sinnvoll ist z.B. bei der Netzherstellung, wenn es gewünscht ist, dass das Netz in einer bestimmten Form erhärtet. Häufig wird Polyamid auch als günstiger Festmacher angebot, aber die Freude an dem Material wird erfahrungsgemäß nicht von langer Dauer sein.
Die häufigste Konstrukiton von Polyamid Seilen ist gedreht. In speziellen Mischkonstruktionen wird Polyamid auch zusammen mit Polyester verflochten.
Polyester
Polyester (PES) ist wohl die vielseitigste Faser in der Tauwerk-Welt. Je nach Konstruktion und Behandlung im Herstellungsprozess kann PES als Fall, Festmacher, Schot, Reffleine, Niederholer und für viele weitere, auch nicht nautische Zwecke, eingesetzt werden. Polyester ist verhältnismäßig schwer und somit nicht schwimmfähig. Dafür überzeugt es jedoch durch gute Bruchlastwerte und eine ausgezeichnete Abriebbeständigkeit.
Die Polyesterfaser ist nicht nur in Ihrem Einsatzzweck vielseitig, auch in der Konstruktion wird PES als geschlagenes und geflochtenes Tauwerk angeboten. Die geschlagene Ausführung wird meist als Standard Festmacher Leine eingesetzt, da durch die gedrehte Konstruktion von Hause aus eine sehr gute Dehnung gegeben ist.
Die geflochtenen Konstruktionen decken je nach Ausführung ein besonders breites Spektum ab. Je nach Flechtart und wärmetechnische Behandlung ist vom Festmacher bis hin zum Fall alles möglich.
Polyaramide
Polyaramide (PPTA) sind den meisten Verbrauchern wohl unter Vectran® und Kevlar® bekannt. Der Vorteil dieser Faser ist eine hohe Bruchlast und Schnittfestigkeit sowie die schwere Entflammbarkeit. Schwachpunkt der Polyaramiden Tauwerke ist aber die Sonne. UV-Einstrahlung setzt dem Material stark zu, weshalb man es auch selten als Reinkonstruktion findet. Die Faser wird fast ausschließlich in geflochtener Form und überweigend als Kern einer Kern-Mantel-Konstruktion.
Eingesetzt wurde es insbesondere als Fall und stehendes Gut. Inzwischen wurde dem PPTA jedoch der Rang durch das Ultra-High Molecular Weight Polyethylene=UHMwPE also das Dyneema® abgelaufen und es wird nur noch dort verwendet, wo z.B. Brandschutz eine große Rolle spielt. Aber auch in anderen Gebieten wie dem Personenschutz in Form von schusssicheren Westen und Schnittschutzmaterialien ist vor allem Kevlar noch immer eine bekannt und beliebte Faser.
rPET (Polyethylenterephthalat)
Mit rPET kommt eine revolutionäre Faser auf den Markt. rPET steht für recycletes Polyethylenterephthalat, das zu 100 % aus PET-Flaschen gewonnen, wieder eingeschmolzen und granuliert zum Rohstoff für neu ausgesponnene Fasern wird. Der Rohstoff aus PET- Flaschen besticht durch hohe Reinheit mit gleichbleibender Qualität und bildet den Auftakt für den Einsatz recycelter Fasern.
Heraus kommt eine hochwertige Faser mit ähnlichen Eigenschaften wie Polyester, jedoch mit besserer Abriebbeständigkeit und hoher Festigkeit bei ausgewogenem Dehnungsverhalten. Die Leinen sind äußerst langlebig und unter allen Witterungsbedingungen beständig. Eine gute UV-Beständigkeit und geringer Wasseraufnahme rundet die rPET Leinen ab.
Eine wegweisende Faser.
Dyneema® (Polyethylen)
Dyneema® die High-Tech-Faser wird ursprünglich aus Polyethylen (PE) genauer Ultra-High Molecular Weight Polyethylene (UHMwPE) hergestellt. Diese ist in den sechziger Jahren von der Firma DSM in den Niederlanden entwickelt und patentiert worden. Seit den achtziger Jahren hat die High-Tech-Faser auch den Tauwerk-Markt ordentlich auf den Kopf gestellt. Auch Dyneema® gibt es in verschiedenen Qualitäts-Klassen welche als Fasertyp SK bezeichnet werden. Die erste Fasertypklasse auf dem Markt war die SK55.
Inzwischen wurde die Faser über SK75, SK76, SK78, SK90, SK95 bis SK99 aufs äußerste und zu unvorstellbaren Leistungen ausgereizt. Die Faser DM20 wird z.B. von Gleistein durch ein thermofixier Verfahren zum DynaOne® HS Max, welches dafür konzipiert wurde Drahtseile an Bord zu ersetzen. Diese Mission wurde definitiv erfüllt. Mit einem siebtel Gewicht hat das HS Max noch höhere Bruchlasten und zu gleich weniger Reck als ein Edelstahl-Drahtseil.
Dyneema® sollte in jedem Fall gespleißt werden, denn der Bruchlastverlust durch einen Knoten liegt bei Dyneema® zwischen 50 und 75 %. Und auch beim Spleißen sollte man wissen, was man tut. Auf Grund der besonders glatten Dyneema® Faser kann ein falscher oder schlecht ausgeführter Spleiß ohne Vorwarnung aufgehen.
bio-based Dyneema®
Als erster Seilhersteller weltweit stellt Gleistein das vollständige Dyneema®-Produktprogramm 2021 auf bio-based Dyneema® um – somit auch wir!
Bio-based Dyneema® ist die erste nachwachsend basierte HMPE-Faser. Dabei wird das Prinzip des Masseausgleichs (mass balance approach) angewandt, es bedeutet die Unabhängigkeit von fossilen Ressourcen bei deutlicher Reduzierung der CO2-Emissionen ohne jeden Kompromiss bei der Produktqualität. Ein Carbon-Footprint, der 90% niedriger ist als der von generischem HMPE bei exakt den selben Spezifikationen und Performanceeigenschaften wie konventionelles Dyneema®. Der gesamte Prozess ist zertifiziert für seine Übereinstimmung mit der International Sustainability & Carbon Certification (ISCC).
Der Masseausgleichs-Ansatz ist dafür konzipiert, den Fluss nachwachsend basierter und fossiler Ressourcen in der komplexen Produktionskette nachzuverfolgen. Er stellt die Einspeisung des nachwachsenden Rohstoffs in den Prozess durch exakte separate Aufzeichnung sicher. Dabei kann die genaue Menge an biobasierten Fasern am Ende des Produktionsprozesses bestimmt werden – bestätigt durch die ISCC. Der Mass Balance Approach ist üblich und wird seit vielen Jahren erfolgreich angewandt, zum Beispiel in der Gas- und Elektrizitätsversorgung.
Naturfaser – Baumwolle
Die Naturfaser Baumwolle wird insbesondere für die Herstellung von Tauwerk im Bastelbedarf verwendet. Baumwolle ist besonders geschmeidig und schön anzufassen. Die Einsatzgebiete sind daher in der Taschenherstellung z.B. als Griff aber auch in der Bondage Anwendung zu finden. Mit Bruchlasten und Witterungsbeständigkeit kann die Baumwollfaser nicht überzeugen, weshalb der Einsatz in der Yachtausrüstung oder im Outdoorbereich ausgeschlossen ist.
Naturfaser – Sisal
Sisal wird aus der Agave-Pflanze gewonnen. Die Agave gehört zu den Kakteen, und das stachelige Verhalten legt die Faser als Tauwerk nicht ab. Die Verarbeitung ist daher nicht ungefährlich. Gleitet das Sisal-Tau durch die Hand zieht man sich garantiert Splitter zu, welche sich schwer entfernen lassen und so zu empfindlichen Entzündungen führen kann. Sisal spielt daher fast ausschließlich bei der Herstellung von Katzen-Kratzbäumen eine Rolle.
Naturfaser – Hanf
Hanf Tauwerk war nicht nur über Jahrhunderte Bestandteil der Seefahrt, sondern auch in vielen anderen Bereichen das einzig brauchbare Tauwerk. Heute wird Hanf in Bruchlast und Haltbarkeit durch synthetische Faser weit übertroffen und spielt daher nur noch in ausgewählten Branchen wie z.B. Artistik eine nennenswerte Rolle. Die Eigenschaft, dass Hanfseil beim „durchrauschen“ nicht so heiß wird, ist bei Artisten ein gern gesehener Effekt. Was viele nicht wissen, wenn sie aus nostalgischen Gründen (z.B. für Mittelaltermärkte) ein Hanfseil verwenden möchten, ist das dieses recht unangenehm (nach Stall) riecht.